Auf unserem Wunschbeet steht ein kleiner Chinakohl. Der lässt sich mächtig Zeit. Wir wissen nicht mehr, wie er dahingekommen ist, ob wir ihn gesät oder als Setzling dort hingepackt haben. Auf jeden Fall zeigt er seit Wochen nur ein paar kleine Blätter, mehr nicht. Er geht nicht ein, aber er wächst auch nicht. Schon mehrmals wollten wir das zarte Pflänzchen als Unkraut entfernen, aber Landwirt Kötter hat es eindeutig als Kohl identifiziert. Während alles um ihn herum schießt und sprießt, sagt sich der grüne Winzling: Ich habe mein eigenes Tempo. Dass irgendwann die Saison zu Ende ist, scheint ihn nicht zu interessieren. Er hat die Zeit vergessen.
Die Zeit vergessen – das haben auch wir gestern im Beet. Nach ein paar Erledigungen in der Stadt waren wir mittags gegen halb zwei, zwei draußen in Nieder-Erlenbach. Es war ein toller Sommertag, und wie so oft ging es uns nur darum, schnell nach dem Rechten zu sehen. Schließlich wollten wir zu Hause noch mal an den PC und abends ab sechs mit Freunden zum Picknicken an den Main. Aber dann war da das Gespräch mit der netten Nachbarin vom übernächsten Beet – über Erbsen, Bohnen und die schwer vernachlässigte Parzelle zwischen unseren Beeten. Dann die nach wie vor bunte Pflanzenpracht auf dem ganzen Gelände. In Gedanken versunken genossen wir den Anblick, ernteten Gemüse und rupften Unkraut. Ein Rundgang mit dem Fotoapparat ergab sich von selbst. Sieh mal da, Artischocken. Klick! Und dort, sind das nicht Malven? Klick, klick! Ein wunderschöner Blick durch den Blätterwald zu den Sonnenblumen am Ende… Klick, klick, klick!
Durchatmen, Eindrücke sammeln, Abschalten pur. Und irgendwann die Frage: „Wie spät ist es eigentlich?“ Ooops, schon halb fünf! Damit hatten wir nicht gerechnet. Wir wollten doch auch noch kurz zum Supermarkt. Etwas in Eile, aber tiefenentspannt und bester Laune verließen wir das Feld. Der kleine Chinakohl schaute uns kopfschüttelnd hinterher.