As time goes by…

Es grünt so grün und welkt so welk… Ende August strotzt das Beet vor grellen Farben und lässt doch hier und dort erahnen, dass es irgendwann zu Ende geht mir dieser Saison. Etliche Sonnenblumen haben ihre gelben Blätter oder einen Teil davon verloren, Kohlblätter lösen sich im Lehmboden auf, und wo noch vor kurzem Kürbis- wie Zucchinipflanzen einen kniehohen Dschungel bildeten, gibt es wieder genügend lichte Stellen, die das Umhergehen im Beet erleichtern. Den Eindruck des beginnenden Verfalls verstärkt die vernachlässigte Nachbarparzelle: Um Unkraut und Gemüsefäule zu stoppen, hat Landwirt Sven Kötter sie größtenteils plattgemacht.

Aber wie gesagt: Noch ist reichlich Leben im Beet. Und noch wartet Gemüse auf sein endgültiges Coming-out. Allem voran die Tomaten, die sich allmählich als gelbe Cocktailtomaten erweisen. Dank der Hitze der letzten Tage sind hier deutlich ernstzunehmende Früchte zu erkennen. Durch fleißiges Ausgeizen erleichtern wir ihnen die Reife. Die nachgepflanzten Salate und Kohlsorten entwickeln sich prächtig, weshalb wir schnell noch etwas Rucola einsetzen. Und übermorgen wollen wir die letzten Salate platzieren – nur wenig später gehe nichts mehr, hat Herr Kötter gesagt.

Es mag kitschig, banal oder pathetisch klingen: Aber im Beet wird man innerhalb weniger Wochen und Monate Zeuge des ewigen Kreislaufs von Werden und Vergehen. Faszinierend zu sehen, wie sich aus zarten Trieben kräftige Pflanzen entwickeln und welche Energien sie allen Wetterwidrigkeiten und aller Grünschnabelpflege zum Trotz entfalten. Und es stimmt melancholisch, wenn sich die Blüte dem Ende zuneigt. Deshalb füllen wir schnell mit Clemens, unserem heutigen Begleiter, die Erntetaschen. In Trauer brauchen wir aber nicht zu versinken. Denn wir wissen ja: Bis Ende Oktober wird das Feld noch einige Überraschungen für uns bereithalten. Und: Irgendwann geht alles wieder von vorne los.

Keine Zeit? Vergiss es!

Auf unserem Wunschbeet steht ein kleiner Chinakohl. Der lässt sich mächtig Zeit. Wir wissen nicht mehr, wie er dahingekommen ist, ob wir ihn gesät oder als Setzling dort hingepackt haben. Auf jeden Fall zeigt er seit Wochen nur ein paar kleine Blätter, mehr nicht. Er geht nicht ein, aber er wächst auch nicht. Schon mehrmals wollten wir das zarte Pflänzchen als Unkraut entfernen, aber Landwirt Kötter hat es eindeutig als Kohl identifiziert. Während alles um ihn herum schießt und sprießt, sagt sich der grüne Winzling: Ich habe mein eigenes Tempo. Dass irgendwann die Saison zu Ende ist, scheint ihn nicht zu interessieren. Er hat die Zeit vergessen.

Sanne + BlumenDie Zeit vergessen – das haben auch wir gestern im Beet. Nach ein paar Erledigungen in der Stadt waren wir mittags gegen halb zwei, zwei draußen in Nieder-Erlenbach. Es war ein toller Sommertag, und wie so oft ging es uns nur darum, schnell nach dem Rechten zu sehen. Schließlich wollten wir zu Hause noch mal an den PC und abends ab sechs mit Freunden zum Picknicken an den Main. Aber dann war da das Gespräch mit der netten Nachbarin vom übernächsten Beet – über Erbsen, Bohnen und die schwer vernachlässigte Parzelle zwischen unseren Beeten. Dann die nach wie vor bunte Pflanzenpracht auf dem ganzen Gelände. In Gedanken versunken genossen wir den Anblick, ernteten Gemüse und rupften Unkraut. Ein Rundgang mit dem Fotoapparat ergab sich von selbst. Sieh mal da, Artischocken. Klick! Und dort, sind das nicht Malven? Klick, klick! Ein wunderschöner Blick durch den Blätterwald zu den Sonnenblumen am Ende… Klick, klick, klick!

Durchatmen, Eindrücke sammeln, Abschalten pur. Und irgendwann die Frage: „Wie spät ist es eigentlich?“ Ooops, schon halb fünf! Damit hatten wir nicht gerechnet. Wir wollten doch auch noch kurz zum Supermarkt. Etwas in Eile, aber tiefenentspannt und bester Laune verließen wir das Feld. Der kleine Chinakohl schaute uns kopfschüttelnd hinterher.

 

Gestatten, Raubtier!

„Vierzig Rehe gibt es in Nieder-Erlenbach.“ Auch in der heutigen Sprechstunde wartet Landwirt Sven Kötter wieder mit interessanten Fakten auf. Aber was hat das mit unserem Gemüsebeet zu tun? Die Antwort gibt ein Blick auf unsere nachgepflanzten Salate. Ganz schön angefressen sieht das eine oder andere Exemplar aus. Und das waren, genau, die Rehe. Herr Kötter erzählt von Bambis, die auf bestimmte Salatsorten stehen – das hat man tatsächlich herausgefunden – und wie sie mit einem Biss in die Mitte des Salats gehen, ihn so kaputtmachen und genüsslich zum nächsten Kopf übergehen. Zurück bleibt Gemüse, mit dem man fast nichts mehr anfangen kann.

„Immerhin ist Ihr Salat noch in Ordnung“, beruhigt uns der Experte, „aber Sie hätten gleich zu Anfang besser ein Netz drübergelegt.“ Dasselbe gilt für die von uns gepflanzten Kohlsorten, an denen sich unter anderem die weiße Fliege in Scharen zu schaffen macht. Ist aber nicht wirklich schlimm, denn wie es aussieht, werden sich die Kohlköpfe trotzdem zu verwertbarem Gemüse auswachsen.

Eine andere Besucherin haben wir neulich erst zu Hause beim Verarbeiten des geernteten Blumenkohls entdeckt: unsere „Kleine Raupe Nimmersatt“, die es sich ganz tief drinnen so richtig gemütlich gemacht hatte. Nach unserer Beschreibung vermutet Herr Kötter, dass es sich um jene Raupe handelte, aus der dann später ein weißer Schmetterling wird.

Das rabiateste Tier im Feld, so meinen wir, ist aber nach wie vor der Mensch. Zumindest hin und wieder. So beklagt Herr Kötter eine weitere gebrochene Spatengabel. Man muss sich schon mit seinem ganzen Gewicht darauflehnen, um so ein Teil kleinzukriegen. Und der notdürftige Reparaturversuch hat dazu geführt, dass ein Nagel gefährlich herausragt. Vorsicht, Verletzungsgefahr! Weshalb Herr Kötter das Gerät gleich konfisziert.

Eigentlich müsste der Verursacher Ersatz beschaffen, aber vermutlich kann der Landwirt lange darauf warten. Jetzt wird es aber Zeit fürs Ernten. Leider kommen wir dazu heute nur kurz: Ein plötzlicher heftiger Regenschauer treibt uns ins Auto und durchnässt nach Hause.