Radieschen von oben betrachtet und ein „feucht-fröhliches“ Fest

Das Thema Radieschen lässt uns nicht los. Also haben wir im Freundes- und Bekanntenkreis eine kleine Umfrage gemacht. Und siehe da: Inzwischen haben uns zwei weitere Personen, die wir hier aus Diskretionsgründen nicht namentlich erwähnen, gestanden, dass auch sie immer dachten, Radieschen würden im Verbund wachsen. Siehste!! Das tröstet doch ein wenig.

Aber zu unserem Gemüsebeet. Letzten Mittwoch war Sanne abends allein zum Gießen dort und hat eine üppige Ladung EINZELNER! Radieschen, Spinat und Salat mit nach Hause gebracht. Am Donnerstag gab es viel Regen, so dass wir uns keine großen Sorgen um das Gemüse machen mussten. Für heute, Sonntag, ist zwar ebenfalls reichlich Wasser von ganz oben angesagt, aber wir wollen trotzdem rausfahren: zum einen weil Herr Kötter wieder Sprechstunde hat, zum anderen weil die kleinen Hügel, auf denen die Kartoffelpflanzen wachsen, endlich mal wieder angehäuft werden müssen. Und: In Nieder-Erlenbach ist heute Höfefest, wie Plakate und „Meine Ernte“-E-Mails seit Wochen ankündigen. Ab 12 Uhr werden die Pflanzen- und Gemüsespezialisten des Ortes ihre Häuser öffnen, es gibt leckeres Essen, Getränke und Musik. Das ist ein weiterer Vorteil eines Gemüsebeets im Grünen: Es bringt einen dazu, Ausflüge zu unternehmen und Dinge kennenzulernen, die sonst an einem vorbeigegangen wären.

Zum ersten Mal begleitet uns eine Freundin, die sehen will, was wir da in Nieder-Erlenbach so treiben. Unsere E-Mails haben sie neugierig gemacht. Und so stehen wir in wetterfester Kleidung bei Nieselregen im Beet und begutachten Gepflanztes und Herausgewachsenes. Die selbst gesäten Blumen lassen weiter auf sich warten – nicht abzusehen, ob noch etwas wird aus den zarten kleinen Blättern, die da schüchtern aus der Erde lugen. Blumenkohl, Sellerie, Dill und Paprika strahlen nicht unbedingt, haben sich aber einigermaßen gehalten.

Wohl wegen des Wetters ist nicht viel Betrieb auf den Nachbarbeeten, so dass es nur ein paar Minuten dauert, bis Landwirt Kötter Zeit für uns hat. Zu unseren Blumen kann er auch nichts sagen, es ist einfach noch zu wenig zu sehen. „Da kann man nur abwarten.“ Außerdem vermisst er die von ihm gepflanzten Gurken – ein Sachverhalt, der glücklicherweise auch für die umliegenden Parzellen gilt. „In den am Feldrand gelegenen Beeten sind sie angegangen, aber hier in der Mitte nicht so. Weiß auch nicht genau, warum. Hier müssen wir ebenfalls abwarten.“ Ich atme auf. Hatte ich doch schon befürchtet, im Unkrautbeseitigungseifer auch die mühsam gesäten Gurken auf den Kompost befördert zu haben.

Bohnen haben wir zwei Sorten, Dicke Bohnen und Buschbohnen. „Für die Dicken Bohnen sollten Sie jetzt langsam Stangen in die Erde treiben, damit sie daran hochwachsen können – ähnlich wie bei den Erbsen. Die Stangen für die Bohnen müssen aber um die 2 Meter hoch sein!“ Wir denken an das Märchen von Jakob und der Bohnenstange und können uns gar nicht wirkoich vorstellen, dass auch auf unserem Gemüsestreifen in absehbarer 2 Meter hohe Bohnenungetüme stehen sollen. Dann geht es weiter zu unserem „Lieblingsgemüse“: Zwischen den Radieschen haben sich Pflanzen mit großen, dunkelblau schimmernden Blättern breitgemacht. Die waren uns durchaus schon aufgefallen, aber wir hatten sie lieber stehen lassen, frei nach dem Motto: Man weiß ja nie! Irgendwie schienen sie für uns zum Gemüse zu gehören. Aber Sven Kötter redet Klartext: „Die müssen weg“, sagt er kurz und rupft ratz, fatz ein besonders großes Exemplar heraus. „Und die Radieschen selbst sollten Sie ganz schnell ernten. Die sind jetzt durch.“ Wir erfahren auch gleich, warum. Bei einigen Pflanzen ist das Grün bereits üppig herausgewachsen und hat Blüten entwickelt, die nun blühen. „Wenn das der Fall ist, sind die Radieschen nix mehr. Sie schmecken nicht und sind holzig. Probieren Sie mal!“ Schon der erste Biss gibt dem Experten recht. Dass zahlreiche Blätter der Radieschenpflanzen kleine Löcher haben und wie perforiert aussehen, macht dagegen gar nichts und hat einen einfachen Grund. „Das kommt von winzig kleinen Läusen, die sich da durchfressen.“ Als wir von unserem Radieschentrauma berichten, ernten wir ein mildes Schmunzeln und erfahren außerdem etwas über den Radieschenanbau in Deutschland. Da gebe es ein paar wenige Monopolisten, die gigantische Felder nur mit Radieschen bepflanzen. Zum Ernten kämen blitzschnelle Zupfer, die die Radieschen noch auf dem Feld mit einem Gummi zu Bunden zusammenführten, und das gerade mal für ein paar Cent Lohn. Wenn dann im Supermarkt ein Bund für wenig mehr Geld angeboten werde, könne man sich ausrechen, wie gering die Gewinnspanne sei. Ein mühseliges Geschäft.

Und Herr Kötter ist mit seinen Tipps noch nicht am Ende. Als er mich die Hügel für die Kartoffelpflanzen neu aufhäufen sieht, bittet er mich kurz um die Hacke. „Hier, Sie müssen die Erde aus dem Kanal zwischen den Hügeln holen“ – mit kräftigen Zügen macht er vor, wie es geht – „Sie hacken viel zu dicht bei den Pflanzen hinein.“ Als ich die Hacke wieder übernehme, schaut er mir noch einen Moment lang zu und macht sich auf zum nächsten Beet, ein verschmitztes „Ich sach’s ja immer wieder, üben, üben macht den Meister“ auf den Lippen.

Eine halbe Stunde später ist die Arbeit getan. Erde gelockert oder aufgehäuft, Unkraut gejätet, gute Radieschen von schlechten Radieschen getrennt und ausgegraben, Salat geerntet. Zufrieden begeben wir uns zum Auto und fahren in den Ort – zum Höfefest. An den Hofeinfahrten sind einladende Schilder aufgestellt, in Scheunen, Gärten oder unter freiem Himmel locken Tische und Bänke, wo nötig wohlweislich mit Schirmen und Planen überdacht. Das ist auch nötig, denn der Regen wird immer stärker. Zu schade, denn bei Sonnenschein wäre es ein echtes Vergnügen, von Hof zu Hof zu schlendern und sich durch die angebotenen Köstlichkeiten zu schlemmen. „Feucht-fröhlich“ hatten wir uns anders vorgestellt. Aber wir machen das Beste draus und haben auch so unseren Spaß. In der Obermühle genießen wir Lammbuletten mit Tzatziki und bewundern den schönen Garten. In der Untermühle gibt es ein überwältigendes Kuchenangebot und heimelige Innenräume, in denen Gemälde, Bilderrahmen und Spiegel angeboten werden. Auf dem Gut von Sven Kötter, unserem „Gemüseguru“, probieren wir zünftige Leberwurstschnitten und erfahren etwas über die Geschichte des Areals, dessen Scheune einst komplett niederbrannte. Dramatische Fotos, eigens für den heutigen Tag aufgehängt, geben Zeugnis davon. In der Scheune des Lamperthofs muss es anschließend noch ein Handkäs sein, begleitet von zauberhafter Live-Gitarrenmusik.

Danach wird es einfach zu kühl und zu feucht. Weshalb wir zurück zum Auto eilen, das wir völlig durchnässt erreichen. Endlich zu Hause angekommen, läuten wir mit einem heißen Bad und einem Salat mit Zutaten „aus dem eigenen Garten“ den gemütlichen Sonntagabend ein.

Höfefest

Handkäs und Gitarrenmusik

Blaue Briefe, leere Tanks

Pfingstmontag, Traumwetter in Hessen. Ein schöner Anlass bringt uns ein zweites Mal innerhalb von zwei Tagen ans Beet. Wir sind mit unseren Eltern zum Essen bei Bad Homburg verabredet, und anschließend wollen wir ihnen stolz „unseren“ Gemüsegarten präsentieren. Die Eltern, selbst ein wenig gartenerfahren, sind beeindruckt,  gehen mit uns die Reihen ab und beweisen ihr Know-how beim Erkennen von Gemüsesorten. Nebenbei gießen wir fleißig nach, denn die Erde wirkt schon wieder reichlich trocken.

Schön, dass auch Landwirt Sven Kötter, der gerade nebenan die eigenen Felder bestellt hat, wieder bei den Hobbygärtnern vorbeischaut und bereitwillig Fragen beantwortet – obwohl er gar keine Sprechstunde hat. Angesichts einiger weniger vor Unkraut strotzender Beete erzählt er, dass schon erste „blaue Briefe“ verschickt wurden. „Schließlich haben die Leute doch einen Vertrag mit uns geschlossen“, resümiert er überhaupt nicht hämisch, sondern vor allem betroffen. Einem engagierten Landwirt wie ihm muss das Herz bluten, wenn er ein bepflanztes Gemüsebeet derart verkommen sieht. Und noch etwas fuchst Herrn Kötter: Erst Samstagnachmittag hatte er die drei 1000-Liter-Wassertanks wiederaufgefüllt – aber irgendein ahnungs- oder auch achtloser Mensch musste einen Hahn nicht richtig zugedreht haben, so dass ein kompletter Tank am Sonntagmorgen wieder leer gelaufen war. Wie blöd oder wie mutwillig muss man sein?

Im Gespräch erfahren wir, dass wir die Kartoffeln gar nicht gießen sollen, Mist! – und dass wir die Erde auf den kleinen Kartoffelpflanzenhügeln mit der Harke ordentlich aufschütten sollen. Ganz wichtig: Neu Gepflanztes soll man gerade in der Anfangszeit alle zwei bis drei Tage gießen. Und tatsächlich: Unsere Sellerie-, Blumenkohl und Paprikapflanzen scheinen nach Wasser zu lechzen. Gut, dass wir vorbeigeschaut haben. So erhalten auch die von uns neu gesetzten Pflanzen ausreichend Feuchtigkeit. Außerdem dürfen wir uns über die ersten Miniaturblätter freuen, die zaghaft aus der Erde lugen: Das müssen unsere Blumen sein. Sie scheinen tatsächlich zu kommen! Angeregt nehmen wir noch einen Kopfsalat, ein paar Radieschen und Spinatblätter mit, dann lassen wir den herrlichen Sommernachmittag in einem Nieder-Erlenbacher Eiscafé ausklingen.

Schuppen und Wassertank

Gerätekammer und Wassertank

Im „grünen“ Bereich

Sechs Tage sind seit unserem letzten Besuch vergangen, und inzwischen ist es sommerlich heiß. Wollen wir die Kartoffeln nicht irgendwann gleich als Bratkartoffeln ernten, sollten wir allmählich mal wieder gießen. Unter der Woche hat es leider nicht geklappt – so ist das eben, wenn zwei selbstständige Großstädter Aufträge reinbekommen und von Termin zu Termin hetzen.

Auch „meine ernte“ hat im aktuellen Newsletter ans Gießen erinnert, das man möglichst morgens oder abends erledigen sollte, damit die nassen Blätter in der Mittagshitze nicht unter einem Brennglaseffekt leiden. Außerdem wurde das Entfernen der Netze empfohlen, damit es den Pflanzen nicht zu heiß wird, verbunden mit dem Rat, den Erbsen ein paar Rankhilfen in Form von Bambus oder anderen Stäben zu geben. Damit ist das Arbeitspensum für den heutigen Samstagmorgen umrissen. Auf dem Hinweg wollen wir schnell noch beim Baumarkt besagte Rankhilfen kaufen, aber leider gibt es dort nur hölzerne oder stählerne Ungetüme – nichts, was unsere Erbsen wirklich weiterbringen würde. Also fahren wir erst mal weiter zum Beet und checken die Lage.

Zum Glück hat der Boden hier und da noch Feuchtigkeit, und insgesamt scheint alles im grünen Bereich. Besser noch: Die Bohnen, die ich beim letzten Mal vermeintlich massakriert hatte, haben sich berappelt und sprießen ordentlich! Na, das nennen wir doch mal ein Erfolgserlebnis! Ebenfalls gut fürs Selbstbewusstsein: Allmählich erkennen wir schon das eine oder andere Gemüse, auch wenn wir hier und da noch den Anbauplan zu Hilfe nehmen müssen. Der Spinat ist so weit, dass wir uns einige Blätter abschneiden können. Auch Radieschen lassen sich teilweise schon ernten. Dabei machen wir allerdings eine Entdeckung, die uns mehr als peinlich ist. Sollen wir das wirklich beichten oder besser für uns behalten? Ach, was soll’s, dafür ist dieser Blog ja da. Also: Die Entdeckung besteht für uns darin, dass wir die Radieschen nur einzeln aus der Erde ziehen und nicht etwa im Bund, wie wir sie doch im Supermarkt immer kaufen. Bisher hatten wir stets die roten Knollen abgebissen oder entfernt und anschließend das gesammelte Grün entsorgt, ohne zu registrieren, dass es sich letztlich um lauter einzelne Radieschen handelt. Ja, wie dämlich ist das denn? Wo immer wir später davon erzählen, ernten wir Kopfschütteln und Lacher. Allerdings: Sind wir wirklich die Einzigen so Ahnungslosen?

Von den Blumen, die wir gepflanzt haben, ist noch nichts zu sehen. Aber so ein Beet steckt ja voller Überraschungen, schaumermal…  Jetzt heißt es Unkraut rupfen und ordentlich gießen, was uns schon recht selbstverständlich von der Hand geht. Dann beschließen wir, kurz zum nahegelegenen Pflanzenhändler zu fahren, um die Rankhilfen für die Erbsen zu besorgen. Doch auch hier werden wir nicht fündig.

Aber irgendetwas müssen wir doch mitnehmen… Also kaufen wir mutig ein paar Blumenkohl-, Sellerie- und Paprikapflanzen, um sie auch noch in unser Wunschbeet einzuzusetzen. Auf dem Weg zurück kommen wir dann an einem Waldstück vorbei, das voller abgebrochener Äste ist. Heute sind wir nicht nur mutig, sondern auch kreativ: Warum nicht diese Äste als Rankhilfen benutzen? Und: Hatten wir das nicht auch auf den Fotos im „Meine Ernte“-Newsletter gesehen? Gesagt getan. Wenig später stecken die Baumreste bei den Erbsen im Beet und Sellerie- wie Blumenkohlpflanzen in der Erde. Noch mal gießen, und dann ist die Arbeit für heute getan. Gelegenheit, noch kurz einen anderen kreativen Hobbygärtner bei der Arbeit zu beobachten. Dessen Beet liegt nahe bei einem der Wassertanks, und der Kollege hat offenbar wenig Zeit: Deshalb flitzt er mit gefüllter Gießkanne zu seinem Beet, um zu gießen, und lässt gleichzeitig Wasser in die nächste Gießkanne laufen. Damit die Kanne nicht überläuft und kein Wasser verschwendet wird, muss er sich schon ziemlich beeilen, was nicht unlustig aussieht.  Wir sind sicher: Auch Landwirt Kötter hätte bei diesem Anblick seinen Spaß!

ted, Äste, Zuckererbsen

Rankhilfe oder Gärtnerstütze?