Gestatten, Raubtier!

„Vierzig Rehe gibt es in Nieder-Erlenbach.“ Auch in der heutigen Sprechstunde wartet Landwirt Sven Kötter wieder mit interessanten Fakten auf. Aber was hat das mit unserem Gemüsebeet zu tun? Die Antwort gibt ein Blick auf unsere nachgepflanzten Salate. Ganz schön angefressen sieht das eine oder andere Exemplar aus. Und das waren, genau, die Rehe. Herr Kötter erzählt von Bambis, die auf bestimmte Salatsorten stehen – das hat man tatsächlich herausgefunden – und wie sie mit einem Biss in die Mitte des Salats gehen, ihn so kaputtmachen und genüsslich zum nächsten Kopf übergehen. Zurück bleibt Gemüse, mit dem man fast nichts mehr anfangen kann.

„Immerhin ist Ihr Salat noch in Ordnung“, beruhigt uns der Experte, „aber Sie hätten gleich zu Anfang besser ein Netz drübergelegt.“ Dasselbe gilt für die von uns gepflanzten Kohlsorten, an denen sich unter anderem die weiße Fliege in Scharen zu schaffen macht. Ist aber nicht wirklich schlimm, denn wie es aussieht, werden sich die Kohlköpfe trotzdem zu verwertbarem Gemüse auswachsen.

Eine andere Besucherin haben wir neulich erst zu Hause beim Verarbeiten des geernteten Blumenkohls entdeckt: unsere „Kleine Raupe Nimmersatt“, die es sich ganz tief drinnen so richtig gemütlich gemacht hatte. Nach unserer Beschreibung vermutet Herr Kötter, dass es sich um jene Raupe handelte, aus der dann später ein weißer Schmetterling wird.

Das rabiateste Tier im Feld, so meinen wir, ist aber nach wie vor der Mensch. Zumindest hin und wieder. So beklagt Herr Kötter eine weitere gebrochene Spatengabel. Man muss sich schon mit seinem ganzen Gewicht darauflehnen, um so ein Teil kleinzukriegen. Und der notdürftige Reparaturversuch hat dazu geführt, dass ein Nagel gefährlich herausragt. Vorsicht, Verletzungsgefahr! Weshalb Herr Kötter das Gerät gleich konfisziert.

Eigentlich müsste der Verursacher Ersatz beschaffen, aber vermutlich kann der Landwirt lange darauf warten. Jetzt wird es aber Zeit fürs Ernten. Leider kommen wir dazu heute nur kurz: Ein plötzlicher heftiger Regenschauer treibt uns ins Auto und durchnässt nach Hause.

Erntestress

Gibt es ihn eigentlich schon, den Psychoratgeber für angespannte Gartenfreunde? „Wenn Grünschnäbel zu sehr gärtnern“? Oder: „Raus aus der Erntefalle – Wie Sie Stress im Gemüsebeet vermeiden“? Diese und ähnliche Fragen beschleichen uns, als wir uns gestern Vormittag einmal mehr mit Unmengen „reifen“ Gemüses konfrontiert sehen.

Zum Glück haben wir heute unsere Freunde Claudia und Stefan dabei, die nicht nur ein paar Fotos beisteuern, sondern uns auch einen Teil der Erntelast abnehmen. Landwirt Sven Kötter ist natürlich auch da, denn heute ist ja Sprechstunde. Beruhigend seine Information, dass die vielen orangefarbenen Kürbisse, die da unter den Blättern hervorlugen, zwar schon recht weit sind, aber durchaus noch etwas liegen bleiben können. Dafür ist so gut wie alles andere erntereif, bis hin zu den mittlerweile riesigen Sonnenblumen, die fast schon ein bisschen zu lange stehen geblieben sind. Auch den ersten selbst gepflanzten Blumenkohl von unserem Wunschbeet sollen wir mitnehmen, zumal wir ihn nicht rechtzeitig geschützt und mit seinen eigenen Blättern zugedeckt haben, wie uns Herr Kötter erklärt. Den anderen Blumenkohl sollen wir möglichst am Mittwoch ernten, denn: „Blumenkohl und Broccoli sind zwei Gemüsesorten, die man auf den Punkt ernten muss!“

 

Zucchini, Karotten, Bohnen, Mangold, Möhren, Rote Beete, Petersilie und… und… und… wir sacken ein, was geht, denn verkommen lassen wollen wir die feinen Lebensmittel ja auch nicht. Und genau das ist die Erntefalle, in die man geraten kann: das Hin- und Hergerissensein zwischen dem Gefühl der Überforderung und der Überzeugung, dass die Vernachlässigung des Beets eine Schande wäre. Wir sehen es ja auf dem verwaisten Nachbarbeet: Dort faulen so viele leckere Sachen einfach vor sich hin. Mit dem Ernten ist es aber noch nicht getan: Zu Hause geht es ans Lagern und Verarbeiten – das macht zwar großen Spaß, kostet aber auch zusätzliche Zeit.

Dennoch genießen wir einmal mehr die Zeit an der frischen Luft, umgeben von sprießendem Gemüse und einer bunten Blumenpracht. Das Graben, Schneiden, Ausheben und Fachsimpeln verursacht nach wie vor tolle Gefühle – auch wenn das gute Zeug etwas langsamer wachsen könnte…

Im Beet mit Brigitta

Brigitta steht im Beet und kaut. Die letzten Erbsen. Schoten abrupfen, aufbrechen und ab in den Mund mit den grünen Kugeln. Hmmmm, lecker! „Das war’s dann aber auch mit Euren Erbsen“, sagt Brigitta mit Expertenmiene. „Schätze mal, wir machen die Stelle platt!?“ Okay… Sie macht die Stelle platt.

Im Garten ist Brigitta nicht zu bremsen. Nur wenige Minuten zuvor hat sie sich auf die Tomaten gestürzt und schnack, zack überflüssige Triebe und abgestorbene Blätter entfernt. So schnell konnten wir gar nicht gucken. Brigitta darf das. Sie ist die Freundin, die uns eben jene Tomaten im eigenen Garten vorgezogen hat. Gestern Abend ist sie einfach mal mit uns nach Nieder-Erlenbach, um zu sehen, was wir dort machen. Gemeinsam sind wir „ein kleines bisschen stolz“. So sagt man heute betont understatementmäßig, wenn man Erstaunliches vollbracht hat oder sich einfach mal selbst feiern will. Während die Tomaten auf einigen Nachbarbeeten aufgrund von Krautfäule und zu viel Regen ein eher trauriges Bild abgeben, stehen unsere Pflanzen, von schützendem Plastik ummantelt, halbwegs ordentlich da. Und wir erspähen immer mehr grüne Kügelchen, die sich irgendwann hoffentlich noch zu einem saftigen roten Gemüse auswachsen.

Auch heute ernten wir, was das Beet hergibt. Die Karotten werden immer dicker, die Kartoffeln kullern uns fast schon entgegen, und einige Bohnen sind so lang, dass man einen Esel damit antreiben könnte. Von den Megazucchini ganz zu schweigen. Die Kräuter sprießen, und die selbstgepflanzten Gemüsesorten – Salate, Pastinake, Blumenkohl, Chinakohl – kommen.

Außerdem müssen wir heute nach langer Zeit wider ausgiebiger gießen. Also so was: Erst ist es sch…kalt und nass, und dann schwitzt man plötzlich am heißesten Tag des Jahres. Brigitta ist so eifrig bei der Sache, dass sie gleich auch noch das nach wie vor vernachlässigte Nachbarbeet vom Unkraut befreien will. Als wir sie zurückhalten wollen, zückt sie plötzlich ein Messer und…

Quatsch! Wir haben jede Menge Spaß, und Brigitta ist beeindruckt. Natürlich darf sie sich eine prall gefüllte Erntetüte und ein paar Rezeptideen mit nach Hause nehmen. Schließlich wollen wir wieder ein paar schöne Essensfotos sehen.