Seit einer Woche haben wir den Hund der Eltern in Pflege. Die haben es sich mit ihren 81 und 85 Jahren einmal mehr nicht nehmen lassen, auf große Reise nach Übersee zu gehen, und diesmal waren wir uns alle einig: Der Hund sollte lieber zu uns in treue Hände kommen als in eine nicht ganz vertrauenswürdige Hundepension. Filou heißt unser Gast und ist ein Berger des Pyrénées – ein „süßer schwarzer Flokati“ (O-Ton Nachbarin) und ein aufmerksamer Hütehund, der gern die „Herde“ zusammenhält; was sich gelegentlich darin äußert, dass er auch auf Fremde wartet, die 50 bis 100 Meter hinter uns laufen. Auf der Frankfurter Mainpromenade ein etwas anstregendes Unterfangen…
Nach kurzer Eingewöhnungsphase macht sich Filou bei uns bestens. Er vertraut uns, gehorcht, mag die eine oder andere Action und legt sich im Büro am liebsten dort unter den Schreibtisch, wo die meisten Leute am Arbeiten sind. Gestern absolvierte er nach einem Besuch bei Oma Mohr sogar noch eine Mammut-Shopping-Tour über die bestens besuchte Zeil mit uns und machte auch hinterher noch einen putzmunteren Eindruck. Doch abends dann der urplötzliche Stimmungsumschwung: Wir waren spät noch unterwegs, da wurde er langsamer und langsamer. Schlimmer noch: Er schaute uns mit einer vorwurfsvollen Leidensmiene an, als hätten wir ihm sonstwas angetan. Das ermutigendste Lebenszeichen war noch, dass er abermals im „Apfelwein DAX“ einkehren wollte, wo wir am Abend zuvor vorbeigeschaut hatten. Dort wollten aber wir nicht noch einmal vorbeischauen. Erst als sich zwei ältere Damen mit erheiterten Kommentaren über unseren „trunksichtigen Hund“ an ihm vorbeidrückten, konnten wir ihn aus dem Hauseingang bewegen. Der Rest des Heimwegs dauerte eine gefühlte Ewigkeit, und zunehmend hatten wir das Gefühl, dass Filou hinkt und lahmt.
Heute Morgen beim kurzen Gassigang dasselbe Theater, nur ohne „Apfelwein-DAX“. Besorgt fragten wir uns, ob sich Filou wohl irgendwo verletzt haben könnte. Seltsam war allerdings, dass er, wenn es die Treppen runter und – vor allem – wieder rauf in die Wohnung ging, pfeilschnell und problemlos unterwegs war. Als sich auch unser ausgedehnter Nachmittagsspaziergang wieder quälend hinzog, überlegten wir schon, ob wir am nächsten Tag einen Tierarzt aufsuchen sollten.
Doch irgendwann schlenderten wir auf die Gartenanlage zu, und siehe da: Filou fing wieder an, leichtfüßig dahinzugleiten. Bis zu Oma Mohrs Garten rannte er schon mit uns um die Wette. Spielte mit einem anderen Hund. Hüpfte vor Freude über die Beete. Und ließ sich zufrieden wie der King im Gras nieder. Wir staunten nicht schlecht und genossen den Moment. Schauten nach dem Rechten, tranken einen Kaffee – und freuten uns, dass der anschließende Heimweg schon wieder recht vielversprechend verlief.
Zwei Ergänzungen dürfen an dieser Stelle nicht fehlen: Die Besitzerin des anderen Hundes in der Gartenanlage verriet uns, dass sie mehrere Hunde kenne, die ganz gern mal eine Verletzung oder Krankheit simulierten, wenn sie keine Lust mehr auf Bewegung hätten oder Zuwendung suchten – eine Information, die sich jetzt beim Googeln der Stichworte „Hund simuliert Krankheit“ mehr als bestätigt hat. Ein kleiner Filou, unser Filou! Zum anderen holten wir vorhin beim energischen Kämmen einen 20 cm langen Zweig mit fiesen kleinen Dornen aus dem dichten Flokati-Fell. Alles mögliche Gründe für Filous sonderbares Verhalten. Aber wirklich sicher sind wir uns, dass eine heilende Aura über Oma Mohrs Garten liegen muss. Schließlich haben auch wir dort schon das eine oder andere Stressgefühl prima abschütteln können.