Das Machtwort

„Heut geh’n wir zum Samen-Andreas…“ Das klingt, also bitte, erst mal komisch, macht aber absolut Sinn, wenn man den vorgezogenen Gemüsepflanzen noch ein paar Setzlinge und weiteres Saatgut mit auf den Weg geben will, damit sie sich im Beet nicht so alleine fühlen. Der „Samen Andreas“, ein Fachgeschäft in der Frankfurter Töngesgasse, ist ein Tipp von Oma Mohr, und dort bedienen ein paar kauzige, aber sehr sympathische, sehr geduldige und sehr kompetente Experten. Von unseren Eltern haben wir ein sehr schönes und sehr anschauliches Gartenbuch geschenkt bekommen. Es heißt „Kleiner Garten, große Ernte“ und stammt von der Britin Lucy Halsall, daraus haben wir die Idee, unser Gemüsebeet in Rechtecke und Quadrate aufzuteilen und kompakt zu bepflanzen.

Zusammen mit dem lustigen Andreas-Mitarbeiter gehen wir unseren losen Beetplan durch und kaufen Brokkoli, Gurken, Paprika, Strauchtomaten („Diese Sorte ist total pflegeleicht, man muss nicht mal ausgeizen“ – prima!) sowie zusätzlichen Kohlrabi in Form von Pflänzchen und Setzlingen, dazu ein paar Samen, die nicht in der „meine ernte“-Box dabei waren. Klar können wir uns merken, welches welche Pflanze in unseren Einkaufstüten ist, beteuern wir inbrünstig, und der junge Mann, der uns bedient, schmunzelt schon weise in sich hinein. Tatsächlich müssen wir zu Hause feststellen, dass wir außer Kohlrabi und Tomaten kaum noch einen Grünling verlässlich identifizieren können. Wir sind eben immer noch Grünschnabelgärtner und hoffen, dass uns Oma Mohr auf die Sprünge hilft…

In der Folge suchen wir nach dem geeigneten Zeitpunkt, das ganze Geranke und die zusätzlichen Samenkörner endlich zu Beet zu bringen. Doch die Eisheiligen, das Sauwetter und letztlich unsere zeitraubenden Jobs halten uns immer wieder davon ab. Sind wir mal im Garten, überbrücken wir die Wartezeit mit Unkrautjäten und Rasenmähen, es gibt ja immer was Sinnvolles zu tun, dazu kocht Oma Mohr hin und wieder ein leckeres Gericht. Wäre ihre Gartenhütte ein öffentlich zugängliches Restaurant, wir könnten die „Frankfurter Sauerampfersuppe mit Bärlauchblüte“ samt „Pfannkuchen mit Frischkäse-Gartenkräuter-Füllung“ allerwärmstens empfehlen. Tag für Tag gibt es einen anderen Grund, das vorbereitete Beet nicht anzurühren, bis Oma Mohr ein Machtwort spricht: „An Pfingsten, spätestens bis Pfingstmontag, wird gepflanzt, egal wie das Wetter ist! Sonst kriegen wir das Zeuch nie mehr in die Erde.“

Und so finden wir an den Pfingsttagen zwischen Familienbesuchen und Homework für unsere Jobs ein paar Stunden Zeit, um unseren Beetplan in die Tat umzusetzen. Oma Mohr hat Zwiebeln, Salatsetzlinge und Kressesamen gekauft, wir haben unsere zu Hause vorgezogenen Pflanzen und die Einkäufe aus der Töngesgasse dabei. Natürlich kann uns unsere Lehrmeisterin sagen, was wir da für Setzlinge besorgt haben.

Und dann wird umgepflügt, aufgelockert, in Rechtecke und Quadrate eingeteilt, mit Kompost und Gemüseerde vermischt, ausgehoben, eingesetzt, gesät und gegossen, was die Matschehände und das Gartengerät hergeben. Durch den vielen Regen ist der Boden wunderbar locker, eigentlich herrschen optimale Bedingungen. Oma Mohr macht anfangs mit und zeigt uns, wie es geht, dann sind wir auch einige Stunden allein zugange. Gegen das Grünzeug aus dem Laden sehen unsere vorgezogenen Küchenpflänzchen schon etwas verhutzelt aus, das müssen wir zugeben – trotzdem hoffen wir, dass sie hier draußen eine Chance haben. Die momentane Witterung mit ständigen extremen Temperaturschwankungen wird ein echter Härtetest, frei nach dem simplen Motto: Hopp oder top!

Mangold, Karotten, Spinat und Bohnen konnten wir zum Ende der Pfingsttage nicht mehr aussäen – aber Oma Mohr hat uns versprochen, das Werk in den nächsten Tagen für uns zu vollenden. Wir müssen blöderweise arbeiten und sagen: Ganz herzlichen Dank!

2 Gedanken zu „Das Machtwort

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